15. Aug 2024
Wicked problems: Wann es wirklich methodische Lösungsansätze braucht
Dabei ist die entscheidende Frage gar nicht, welche Methode die beste ist. Bevor man sich Gedanken über eine Methode macht, lohnt sich ein Blick auf das Problem selbst, das gelöst werden soll. Solche Probleme unterscheiden sich nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell.
Tame problems
Diese "zahmen" Probleme lassen sich durch klare Regeln und vordefinierte Lösungen beheben. Hier wirken Ursache und Wirkung linear, und Erfahrungen aus der Vergangenheit können als zuverlässige Wegweiser für eine Lösung dienen. Man kann sie an folgenden Kriterien erkennen:
Kriterien für tame problems
- Das Problem kann recht eindeutig definiert werden.
- Mögliche Lösungsansätze können benannt und priorisiert werden. Der Prozess und die Folgen der Lösungsbehebung scheinen klar.
- Das Problem besteht noch nicht über einen sehr langen Zeitraum oder beeinflusst die Beteiligten nicht übermäßig stark.
- Die Anzahl der Beteiligten ist überschaubar und/oder ihre Interessen sind wenig widersprüchlich.
Zur Lösung von tame problems braucht es keine komplexe Methodik. Hier ist weniger oft mehr. Im Bereich der IT-Organisationsentwicklung sind statische und oft starre Frameworks wie SCRUM oder SAFe geeignet, ein tame problem zu lösen. Diese geben ein Zielbild vor, dessen Elemente lediglich eingeführt werden müssen.
Doch Vorsicht: Die Einführung solcher Schablonen scheitert regelmäßig, auch weil die Natur des Problems verkannt wurde. Seine Komplexität wurde unterschätzt: Statt mit einem zahmen Problem hatte man es mit einem wicked problem zu tun. Und die lassen sich nicht gut mit vordefinierten Lösungsbaukästen beheben.
Wicked problems
Sie sind die Draufgänger unter den Problemen: komplex, vernetzt und schwer greifbar. Sie verändern sich während des Lösungsprozesses, und es gibt eher grobe Orientierungspunkte als klare Regeln, die den Weg weisen. Hier lauert die Gefahr, dass voreilige Schlüsse und oberflächliche Lösungen mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. Man kann sie anhand folgender Kriterien erkennen:
Kriterien für wicked problems
- Unklarheit: Weder das Problem noch seine Auswirkungen sind eindeutig und vollständig definierbar. Meist können sie nur anekdotisch beschrieben werden.
- Vernetztheit: Wicked problems sind multidimensional und hängen mit zahlreichen Faktoren zusammen. Eine Änderung in einem Bereich kann unvorhersehbare Auswirkungen auf andere haben.
- Dynamik: Während tame problems eher statisch sind, verändern sich wicked problems ständig. Es gibt keine endgültige Lösung, sondern nur Anpassungen und Iterationen. Die Problemlösung ist ein Experiment und immer ein Lernprozess für alle Beteiligten.
- Perspektivenvielfalt: Wicked problems werden von verschiedenen Stakeholdern unterschiedlich wahrgenommen. Es gibt keine einheitliche Sichtweise, und die Vielfalt der Perspektiven erschwert die Definition des Problems.
Um diese „verhexten“ Probleme zu lösen, braucht es eine tiefergehende Analyse, um das Problem und seine Auswirkungen ausreichend und in möglichst vielen Facetten zu verstehen. Erst im Anschluss ist eine offene Diskussion mit den Beteiligten sinnvoll, mit welcher Methodik das Problem gelöst werden kann. Die Lösung selbst verläuft iterativ: Die Methode wird fortlaufend reflektiert, angepasst oder ausgetauscht. Ein dynamisches, sich ständig änderndes Problem kann am besten mit einem dynamischen Lösungsprozess behoben werden.
Doch Vorsicht: Zu viele Anpassungen in zu kurzer Zeit können das Problem verschlimmern. Manche Änderungen brauchen Zeit zu wirken und es dauert eine Weile, bis Sie die Konsequenzen Ihrer Anpassungen erkennen können. Erst dann können Sie gegensteuern, ohne unwillentlich an anderer Stelle negative Effekte auszulösen. Die Lösung von hoch vernetzten und dynamischen Problemen braucht Geduld, aufmerksames Beobachten und ständigen Dialog mit den Beteiligten. Stolpern Sie nicht aus Ungeduld in eine Aktionismus-Falle. Dadurch wird das Problem nur größer.
Tame und wicked problems: Der konkrete Tipp für die Problemlösung
Bevor Sie sich mit Lösungsmethoden beschäftigen, nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um das Problem inhaltlich und in seiner Struktur zu verstehen.
- Handelt es sich um ein tame problem oder ein wicked problem?
- Tame problems können Sie durch einfache Regeln oder ein vorgefertigtes Rahmenwerk beheben.
- Wicked problems brauchen zu Beginn eine Problemanalyse und im Anschluss eine dynamische Problemlösung, die auch die Lösungsmethode immer wieder in Frage stellt.
- Wenn Sie im Lösungsprozess auf Schwierigkeiten stoßen, stellen Sie sich die Frage, ob Sie die Natur des Problems richtig eingeschätzt haben und passen den Lösungsprozess entsprechend an.
Vorgefertigte Frameworks sind nicht gut oder schlecht: Im besten Fall versuchen sie eine konkrete Problemstellung konkret zu lösen. Deshalb ist es entscheidend, dass Sie das Problem im Kern verstehen, bevor Sie sich für oder gegen eine Methode entscheiden, mit der Sie es lösen möchten. Eine Operation am offenen Herzen wird nicht durchgeführt, wenn es sich eigentlich um ein Problem mit der Niere handelt, das auf andere Weise besser behoben werden kann 😉.
Oft ist ein Blick von außen hilfreich, wenn es darum geht, ein Team- oder Organisationsproblem zu analysieren und zu lösen. Schreiben Sie mir gerne eine Nachricht und wir sprechen darüber.